Neue Bilder, alte Themen, neue Sichten - Gudrun Brüne hat das große Bibel-Gebot „Du sollst dir kein Bild machen“ wörtlich genommen und doch stets immer wieder dagegen angemalt. Ihr Jesus hat kein Gesicht, er trägt eine formlose Maske und ist selbst nur eine Marionette. Daneben seine Jünger, oder besser seine Jüngerinnen. Auch sie maskiert.
Die Bilder sind Teile eines Auftrags „Zum letzten Abendmahl“, das die Künstlerin Gudrun Brüne vor fünf Jahren für die Stiftung Prüsse in Braunschweig malte. Nun sind sie Teil einer Ausstellung, die ab Juni und bis Ende Oktober im Schloss Ribbeck zu sehen ist. Ein fulminanter Auftakt nach Monaten der Kultur- und Kunstabstinenz.
Kuratorin Petra Lange hat mit der Künstlerin 37 Arbeiten ausgesucht. Die Ausstellung würdigt auch das Lebenswerk der Malerin,
die im Mai ihren 80. Geburtstag feierte und
die seit Jahrzehnten im havelländischen Strodehne lebt. Dorthin war sie mit ihrem Mann, dem Maler Bernhard Heisig, gezogen. Heisig war einer der ganz großen Maler der Leipziger Schule, und Gudrun Brüne selbst wird schon mal das Etikett der „
Grande Dame der Leipziger Schule“ verliehen. Sehr zu Recht. Die malerische Klasse von Gudrun Brüne zeigt sich in großen Tafelbildern ebenso wie in vermeintlich kleinen Blumenbildern. Oder, wenn sie eine Birne malt. Genau die hat sie als kleinen Gruß an den Ausstellungsort in Ribbeck gemalt.
Eine große, saftige Birne, die uns anstrahlt. Sie ist eine Mischung aus freundlichem Gruß und saftiger Verführung.
Die Birne ist auch ein Beleg dafür, wie die Malerin es versteht, den Farben auf ihren Bildern eine Magie zu geben. In „Tizian Aristo“ scheint der blaue Mantel Aristos aus dem Bild zu wehen und den Betrachter zu umarmen. Immer wieder hat sich Gudrun Brüne mit den großen Malern der Vergangenheit auseinandergesetzt, hat ihre Interpretationen auf deren Werke geschaffen. So zu Botticelli und zu Picasso. Eine „Picassoide Puppe“ hat sie gemalt, und somit den Bogen zu einem Thema geschlagen, das sie seit Jahrzehnten beschäftigt: Puppen, Marionetten, Masken.
„Jetzt höre ich oft: Das ist ja so aktuell, das passt ja zur Coronazeit“, erzählt die Malerin und lacht ein wenig. Denn das Thema der Maskierung, der Puppen, der Verletzlichkeit ist für sie kein Corona-Thema. „In der DDR sollten wir passive Puppen sein, und im Westen ist der Mensch auch nur eine manipulierbare Puppe“, hat sie ihre Sicht einmal formuliert. „Die Begegnung mit der Puppenwelt, in der es für fast alles eine lebendige Entsprechung gibt, liefert mir Bildstoffe, die in vielen Variationen in meinen Bildern zu finden sind“, sagt sie.
Bei ihr kommt das vermeintlich liebliche Motiv der Puppe immer wieder hintergründig daher. In der Ribbecker Ausstellung steht eine ganze Reihe für diese Hintergründigkeit: „Puppe im Atelier“, „Die Königspuppe“ oder „Aus der Kugel“ stehen dafür.
Gudrun Brüne mag es, wenn die Bilder einen „Störfaktor“ haben, wie sie es nennt. Das kann bei einem Blumenstillleben schon mal ein kleiner Frosch sein.
Gudrun Brüne ist erst spät zur Landschaftsmalerei gekommen, ohne sich als Landschaftsmalerin zu verstehen. Aber die weite, stille havelländische Landschaft hat sie doch vor Jahren gepackt. Ein sehr schöner Beleg dieser Begegnung ist das Bild „Blick aus dem Fenster“.